Strukturierte Kommunikation mit Patienten und Angehörigen
Größenordnung |
Risiko und Effektivität |
Art des Indikators |
Prozess und Ergebnis |
Begründung |
Die intensivmedizinische Behandlung, ob elektiv oder als Notfall, muss mit dem Patientenwillen in Einklang stehen. Die Erwartungen und Ziele des Patienten müssen mit den Behandlungszielen der Intensivmedizin harmonieren. Es ist daher im Verlauf der intensivmedizinischen Behandlung zwingend notwendig, erreichte und geplante medizinische und pflegerische Behandlungserfolge mit dem Patientenwillen abzugleichen um möglichen Schaden vom Patienten, Angehörigen und den Behandelnden abzuwenden. Die Instrumente um diesen Abgleich zu erwirken, sind strukturierte Gespräche der behandelnden Mediziner, Pflegenden und Therapeuten mit der/m Patienten (und/oder) mit seinen/ihren Angehörigen bzw. mit bevollmächtigten Personen. Der Erfolg solcher Gespräche hängt ab von der Struktur des Gespräches und der qualifizierten Gesprächsführung der Intensivmediziner und Pflegekräfte. |
PICO |
Bei Angehörigen von Patienten auf einer Intensivstation führt eine strukturierte regelmäßige Angehörigenkommunikation und Dokumentation derselben zu einer Vermeidung von Belastungsstörungen und Depressionen bei diesen Angehörigen. Evidenzbasierte Kommunikationstechniken, die darauf fokussieren, gemeinsame Ziele der Gesprächspartner zu finden schützen sowohl Patienten, Angehörige und das Personal vor vermeidbaren Belastungen |
Qualitätsziel |
Verbesserung der Kommunikation mit Patienten und Angehörigen und Dokumentation von strukturierten Gesprächsinhalten. Vermeiden von PTSD, Depressionen und Ängsten bei Familienmitgliedern von Patienten. Vermeidung von ethischen Konflikten und interpersonellen Belastungen des Personals. |
Prozessqualität Zähler |
Erstes Gespräch durch FA / OA innerhalb von 72 Stunden nach Aufnahme inklusive schriftlicher Dokumentation (Richtwert 98%) und |
Nenner |
Alle Patienten der Intensivstation mit einer Liegedauer > 72 Stunden |
Ergebnisqualität |
Nutzung von Feedback-Plattformen zur Evaluation von Patienten- und Angehörigenzufriedenheit, z.B. Angehörigenbefragungen, Intensivtagebücher (Jährlicher Nachweis). |
Erklärung der Terminologie |
Die Kommunikation mit Patienten und Angehörigen auf der Intensivstation hat viele Formen. Die Verbindlichkeit von gemeinsamen Festlegungen kann nur durch strukturierte Gespräche und deren Dokumentation erreicht werden (Datum, Teilnehmer, Inhalte). Die Nutzung von Formblättern oder festen Masken im PDMS wird empfohlen. Zur Sicherstellung einer Versorgungskontinuität bei Therapiebeschränkungen sollten entsprechende Textvorlagen in der Krankenakte dokumentiert sein. Innerhalb von 72 Stunden nach der Übernahme auf die Intensivstation sollte ein Erstgespräch und in Folge mindestens einmal pro Woche ein Folgegespräch stattfinden. An den Gesprächen sollen der Patient bzw. dessen Angehörige/gesetzliche Vertreter, ein behandelnder Intensivmediziner, eine Pflegekraft und optional andere an der Behandlung beteiligte Fachärzte teilnehmen. Es soll ein formal strukturiertes Gespräch dokumentiert werden. Folgende Inhalte sollten dabei betrachtet werden:
Die Kommunikation soll darauf abzielen, die unterschiedlichen Informationsebenen zwischen Krankenhauspersonal und Patienten und deren Angehörigen insbesondere durch Unterstützung der Position von Patienten und Angehörigen auszugleichen (Empowerment patientenseitiger Gesprächsteilnehmer). Zu diesem Zwecke soll die Gesprächsführung aktuellen Empfehlungen folgen (VALUE-Konzept). Es wird empfohlen Patiententagebücher zur Unterstützung der Angehörigen zu verwenden. Hierbei ist auf die Vermeidung von Schuldgefühlen und Bekräftigung des Patientenwillens zu achten („was hätte er/sie jetzt gedacht und gesagt, wenn er/sie jetzt hier säße?“). Anzustreben ist eine partizipative Entscheidungsfindung (engl. shared decision making (SDM)). Die umfangreiche Information von Patientnen bzw. deren Angehörigen über verschiedene Behandlungsoptionen und deren Folgen ist hierbei als Voraussetzung zu sehen. Da stets verschiedene Handlungsoptionen bestehen, sind emotionale, kulturelle oder religiöse Bedürfnisse von Patienten und Angehörigen in den Entscheidungsprozess einzubinden. Intensivtagebücher: Das Intensivtagebuch stellt eine wirksame, evidenzbasierte Maßnahme zur Prävention von Angst und Depression nach einem Intensivaufenthalt bei Patienten und deren Angehörigen dar. Zudem unterstützen die täglichen Eintragungen in das Tagebuch Patienten nach dem Intensivaufenthalt beim Schließen von Erinnerungslücken. Fehlende bzw. irreale Erinnerungen werden wiederhergestellt bzw. richtig gestellt - der Gesundheits- bzw. Krankheitszustand wird visualisiert, Gedächtnislücken können besser geschlossen werden und die gesamte Situation des Aufenthaltes kann besser verstanden und nachvollzogen werden. Angehörigenbefragungen oder andere Möglichkeiten des Feedbacks können helfen, Defizite bei der Kommunikation zu entdecken. |
Datenquelle |
Abfrage, Peer Review |
Richtwert |
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Evidenzgrad |
Expertenkonsens |
QUALIFY |
Fakultative Bewertung |
Beteiligte |
M. Brauchle, J.-P. Braun (Lead), A. Brinkmann, P. Czorlich, O. Kumpf, M. Ufelmann, R. Wildenauer |
Interessenkonflikte |
Siehe Anhang |
Literatur |
(7, 46-55) |
Ergänzende Informationen |
VALUE- Konzept: Value family statements: Würdigen, was die Angehörigen sagen; Wertschätzung Shared decision making (SDM): Seeking participation: Gesprächspartner suchen/animieren Intensivtagebücher: |