Um die innerklinische Notfallversorgung von Patienten zu verbessern, können Fachärzte bereits seit fünf Jahren die Zusatzweiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ erwerben. Kinderärzten und Kinderchirurgen wird diese Zusatzqualifikation jedoch teilweise verwehrt – entsprechende Anträge bei den zuständigen Landesärztekammern wurden abgelehnt. „Die meisten Weiterbildungsinhalte der Musterweiterbildungsordnung sind altersunabhängig formuliert“, erläutert Prof. Sebastian Brenner (Foto), Vertreter der Pädiater im Präsidium der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) das Dilemma. „Spezifische Zeitangaben oder Mindestzahlen sind nicht definiert!“
Entsprechend haben die DIVI und die Deutsche Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) ein gemeinsames Positionspapier zur praktischen Umsetzung der Zusatzweiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ in der Kinder- und Erwachsenenmedizin verfasst.
„Wir werden genau die gleichen oder noch größere Probleme in diesem Winter bekommen, wie im vergangenen!“ Diese Worte von DIVI-Präsident elect und Kinderintensivmediziner Prof. Florian Hoffmann (links) sind alarmierend. Und das sollen Sie auch sein. Nach einer Pressekonferenz der DIVI im vergangenen Dezember war Gesundheitsminister Lauterbach den Pädiatern noch unmittelbar mit Notfallplänen in der katastrophalen Situation während der RS-Viruswelle beigesprungen. In der Krankenhausreform sind Sonderbudgets in Aussicht gestellt. „Was aber ist mit diesem Winter?“, fragt Dr. Ellen Heimberg (rechts), stellvertretende Sprecherin der Sektion Pädiatrische Intensiv- und Notfallmedizin der DIVI. „Wir sind nicht vorbereitet!“ Die Oberärztin der Interdisziplinären Pädiatrische Intensivstation am Universitätsklinikum Tübingen berichtet über eine weitere Verschlechterung der pflegerischen Personalsituation auf den Kinderintensivstationen, was sogar außerhalb der Infektwellen im Sommer zu massiven Engpässen führt. Auch Hoffmann in München kann kaum freie Betten bieten. Die Versorgungssituation kritisch kranker Kinder verschärft sich weiter. Ein Weckruf in den Sommerferien!
Nach dem Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über eine Erstfassung der Richtlinie zur Ersteinschätzung des Versorgungsbedarfs in der Notfallversorgung wendet sich die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Lauterbach sowie alle Gesundheitsminister der Länder, um das Inkrafttreten in vorliegender Version zu verhindern. Die Ersteinschätzungs-Richtlinie bedürfe noch grundlegender Überarbeitung, heißt es in dem Brief, der gestern per E-Mail und per Post an die 17 Adressaten verschickt wurde. „Im derzeitigen Reformprozess sehen wir die Synchronisation der politischen Beschlüsse als einzige Möglichkeit an, unser Gesundheitssystem zukunftsfähig, sinnvoll und praxisorientiert aufzustellen“, betont DIVI-Präsident Prof. Felix Walcher, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Magdeburg. „So rufen wir G-BA und BMG auf, den eingeschlagenen Weg noch einmal gemeinsam zu überarbeiten und in den Kontext der umfassenden, sehr komplexen Krankenhausreform zu stellen!“
Fünf konkrete Kritikpunkte führt die DIVI auf – um direkt Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgung von Notfallpatienten zu geben. Kritisiert wird unter anderem, dass die Ersteinschätzungs-Richtlinie auf die Entlastung der Notaufnahmen durch eine Patientensteuerung in den ambulanten Versorgungssektor der kassenärztlichen Vereinigung (KV) fokussiert, einen bekanntlich ebenfalls überlasteten Sektor, sowie Patienten nach Arbeits- oder Wegeunfällen, Privatpatienten und Selbstzahler – rund ein Viertel der Notfallpatienten – ausklammert.
„Die notfallmedizinische und intensivmedizinische Versorgung wird sich zukünftig deutlich verbessern“, postuliert der Präsident der DIVI, Prof. Felix Walcher (Bildmitte), nach der Vorstellung des Eckpunktepapiers von Bund und Ländern Anfang dieser Woche. Walcher sieht hier die relevantesten, wiederholt kommunizierten, konstruktiven Vorschläge der DIVI für die Neuaufstellung der Notfall- und Intensivmedizin berücksichtigt. „Ein Meilenstein, der uns positiv auf die kommende Ausarbeitung des Krankenhaus-Reformgesetzes blicken lässt“, resümiert der Direktor der Klinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Magdeburg.
Tagtäglich hat seit dem 26. März 2020 das Robert Koch-Institut (RKI) um die Mittagszeit den Tagesreport mit den wichtigsten Zahlen aus dem DIVI-Intensivregister veröffentlicht. Diese PDF-Datei fasste Zahlen zu neu aufgenommenen Patienten, belegten Betten durch COVID-19-Patienten sowie freien Bettenkapazitäten auf den Intensivstationen in Deutschland zusammen. Referenziert wurde er in allen Medien und weiteren Lageberichten. Mit derzeit 85 COVID-19-Patienten auf deutschen Intensivstationen erfordert die Situation nun keine tägliche Berichterstattung mehr. So stellt das RKI am Donnerstag – nach 1.203 Tagen – den Tagesreport ein.
Das Grundgerüst der Krankenhausreform stehe, heißt es vor dem nächsten Treffen der Regierungskommission an diesem Donnerstag. Die bereits etablierten Strukturen in Nordrhein-Westfalen (NRW) sollen als Blaupause für Vorhaltepauschalen und Leistungsgruppen dienen. Im Gegensatz zu den Empfehlungen der Regierungskommission ist aber in NRW – und damit geplant demnächst in ganz Deutschland – die Notfallmedizin keine eigene Leistungsgruppe. So wird eine Institution nicht berücksichtigt, in der pro Jahr 15 bis 20 Millionen hilfesuchende Menschen medizinische Leistungen erhalten. Daher fordert die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) mit äußerstem Nachdruck, die Notfallmedizin in dreistufiger Unterteilung als Leistungsgruppe in die noch zu erstellende Liste der Krankenhausreform aufzunehmen. Nur so wird das deutsche Gesundheitssystem zukunftsfähig.