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30. Januar 2024

Agenda 24 des DIVI-Präsidenten: „Mitglieder spüren den Wind der Veränderung, ja sogar einen Paradigmenwechsel in der Fachgesellschaft!“

Ein Jahr ist Professor Felix Walcher jetzt Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Und sein zweites Amtsjahr hat jetzt gerade begonnen. Seit den ersten Tagen seiner Präsidentschaft hat der Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Magdeburg – wie in seiner Antrittsrede signalisiert – den Fokus mehr auf die Notaufnahmen und den Rettungsdienst gerichtet. Die Erarbeitung der Handlungsempfehlungen für das Arbeiten im interprofessionellen Team, die auf dem DIVI23 vorgestellt wurden, sind gleichermaßen Ergebnis seines Bestrebens, für die Mitarbeitenden in der Pflege starke Impulse zu senden, wie auch die Resilienz im gesamten Team zu stärken. So engagiert soll es in 2024 weitergehen. Die Liste der To-dos ist lang. Im Gespräch gibt der DIVI-Präsident einen Ausblick auf seine Agenda 24:

Herr Prof. Walcher, die Roadmap in einer Fachgesellschaft zu gestalten, in der sich alle fünf Disziplinen der Intensiv- und Notfallmedizin vereinen, ist sicherlich gar nicht so einfach. Was aber steht ganz oben auf der Prioritätenliste?

  • Walcher: Geht nicht, gibt es in der DIVI nicht! Das werde ich nicht müde zu betonen. Die Notwendigkeit, die Entscheidungsfindung im interdisziplinären und multiprofessionellen Kontext finden zu müssen, macht die Schlagkraft der DIVI aus. Und auf der einen Seite haben wir in der Fachgesellschaft ja alle zwei Jahre einen neuen Präsidenten, damit dieser aus seinem Fach heraus einen Schwerpunkt setzt – so wie ich jetzt für die Notfall- und Rettungsmedizin wie auch die interprofessionelle Teamarbeit. Und auf der anderen Seite haben wir bereits vor drei Jahren gemeinsam mit dem gesamten Präsidium eine Vision und Mission der DIVI erarbeitet. Diese setzt ebenfalls Akzente für dieses Jahr. Hier halte ich als Präsident den roten Faden in der Hand und verfolge diesen konsequent weiter. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Arbeit in den Sektionen, der wir die diesjährige Strategietagung widmen. Diese umfangreiche Roadmap und Werte gilt es wiederum, mit dem politischen Geschehen zusammenzubringen. Denn selbstverständlich ist es vor allem die laufende Krankenhausreform, die ihre eigene Agenda setzt. Wir wollen und werden als DIVI in diesem Kontext aber nicht nur reagieren, sondern agieren.

Was konkret verfolgen Sie also derzeit? Was hat sich die DIVI für 2024 auf die Fahne geschrieben?

  • Walcher: Die Pflege muss weiterhin in unserem Fokus bleiben – das wird noch viele Jahre die Agenda der DIVI bestimmen. Der Personalmangel in allen Bereichen, insbesondere in der Pflege in der Intensiv- und Notfallmedizin, ist und bleibt unser allergrößtes Problem. Wir haben bereits die Empfehlungen für die interprofessionellen Handlungsfelder in der Intensivmedizin Ende 2023 veröffentlicht. Jetzt gilt es, die hier ausgesprochenen Empfehlungen umzusetzen und möglichst vielen Berufsgruppen vorzustellen. Entsprechend laden wir wieder Anfang Mai zu einem DIVI-Pflegegipfel ein. Hier sitzen dann Pflegekräfte, Pflegekammervertreter, gesundheitspolitische Sprecher der Parlamentarier des Bundestages, Journalisten und Vertreter der DIVI sowie der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste zusammen an einem Tisch, um die Umsetzung der Empfehlungen voranzutreiben.
    Gleichermaßen werden wir die Empfehlungen aus der Intensivmedizin als Blaupause verwenden und diese auf die Notaufnahme anwenden. Die Arbeit ist bereits in vollem Gange.

In puncto Interdisziplinarität stärken und Multiprofessionalität leben ging ja bereits auch ein starkes Signal vom letzten DIVI-Kongress aus.

  • Walcher: Auf dem DIVI23 habe ich in Diskussionen von mehreren Mitgliedern, u.a. einigen Pflegenden, das Stichwort „Paradigmenwechsel“ vernommen. Sie würden dies dahingehend vernehmen, dass Pflegende und Mediziner mehr auf Augenhöhe arbeiten und Aufgaben neu und nach Kompetenzen verteilt werden. Ja, genau so soll es sein! Viele Mitglieder spüren ebenfalls den Wind der Veränderung in der Fachgesellschaft und in der Praxis. So hat die Stimmung und das Miteinander vor Ort in Hamburg uns allen, glaube ich, viel Mut gemacht. Es ist viel zu tun in der Intensiv- und Notfallmedizin, weil wir für die Aufrechterhaltung der hohen Versorgungsqualität der Bevölkerung grundlegende Veränderungen durchlaufen. Dass uns diese Veränderungen aber spürbar als Team in der Klinik zusammenbringen – und eben nicht nur auf dem Papier –, ist wunderbar zu hören und zu spüren.

Gibt es weitere Punkte auf der politischen Agenda?

  • Walcher: Insgesamt ist die Agenda natürlich lang und auch viele Projekte, die wir in 2023 bereits angegangen sind, noch lange nicht abgeschlossen. Da wären unter anderem:
    • Die Weiterentwicklung des DIVI-Intensivregisters.
    • Die Digitalisierung, und hier vor allem die Interoperabilität der Daten, vorantreiben, insbesondere als sogenannte digitale Rettungskette. Die Sektionen Notfalldokumentation, Notfall- und Katastrophenmedizin und Strukturen in der klinischen Akut- und Notfallmedizin sowie Informationstechnologie und Medizintechnik als auch das AKTIN-Notaufnahmeregister spielen hier eine zentrale Rolle.
    • Die Telemedizin nach dem Beschluss der Intensivzentren des G-BA weiter ausbauen.
    • Die Umsetzung der DIVI-Strukturempfehlungen für die Intensivmedizin von 2022 ebenfalls weiter vorantreiben.
    • Qualitätssicherung in allen Bereichen der Intensiv- und Notfallmedizin etablieren.
    • Die Strukturreform für Interdisziplinäre Notfallzentren und deren gemeinsame Notfalltresen wie auch die intersektorale Zusammenarbeit anschieben.
    • Die jetzt gültigen gesetzlichen ethischen Rahmenbedingen modifizieren.

Das DIVI-Intensivregister ist durch die Pandemie sehr in den Fokus von Politik und Öffentlichkeit gerückt. Was wird hier jetzt noch entwickelt?

  • Walcher: Die Belegung der Intensivstationen und die Entwicklungen in den Herbst- und Wintermonaten verfolgen zu können, hat auch in den letzten Monaten für die Versorgung der Bevölkerung einen großen Vorteil gehabt. Weiterhin sprechen wir aus der DIVI mit verschiedensten Entscheidern aus der Politik über die Entwicklungen und beraten sie.
    So arbeiten wir hier bereits an der Definition eines Minimaldatensatzes und einer automatischen Ausleitung der Daten. Dann muss nicht mehr pro Station ein Kollege täglich die so wichtigen Daten eingeben. Hier könnte genau nach Vorbild des AKTIN-Notaufnahmeregisters gearbeitet werden und automatisch Informationen in das DIVI-Intensivregister fließen.
    Generell stehen unter dem Stichwort „Digitalisierung“ mit der Interoperabilität der Systeme in der Klinik, in den Notaufnahmen und im Rettungsdienst und deren Anbindung an die verschiedensten Register noch viele unverzichtbare Projekte auf der Agenda.

2023 hat sich die DIVI auch mit einer Umfrage einen Überblick über den Sachstand der Zusatzweiterbildung klinische Akut- und Notfallmedizin gemacht. Was steckt dahinter?

  • Walcher: In der laufenden Krankenhausreform kommt immer wieder der Ruf nach der Einführung eines Facharztes für Notfallmedizin auf. Wir haben deshalb erst einmal in einer umfangreichen Befragung überprüft, wie denn die Zusatzweiterbildung Klinische Akut- und Notfallmedizin angenommen wurde. Das Ergebnis ist leider sehr ernüchternd: Es gibt noch nicht ausreichend Kolleginnen und Kollegen in den Notaufnahmen, die diese Weiterbildungsmöglichkeit abgeschlossen haben. Entsprechend möchten wir diese Zusatzqualifikation deutlich stärker voranbringen, bevor weitere Forderungen formuliert werden. Schließlich wird der Nachwuchs befragt, wie er die Zukunft arbeiten und dies auch mitgestalten möchte.

Als letzte Frage noch eine zur DIVI selbst. Auch hier haben Sie als Präsident ja Einiges für 2024 im Kalender stehen.

  • Walcher: Ja, eine wachsende Fachgesellschaft mit heute mehr als 4.300 Mitgliedern und zahlreichen neuen Projekten kann natürlich auch nicht stehen bleiben. Wir werden in diesem Jahr an den internen Strukturen arbeiten. Die DIVI-Akademie soll weiter ausgebaut werden mit neuen DIVI-Kursen – auch vor Ort in unseren tollen Räumlichkeiten im Haus der Geschäftsstelle. Das muss sich natürlich entsprechend in puncto Verantwortlichkeit, Organisation und Ansprechpartnern im Wachstum abbilden und verändern.
    Hier sollen auch die DIVI-Sektionen neue Aufgaben bekommen. Generell müssen wir jetzt mit Blick auf die wissenschaftliche Arbeit neue Wege des Miteinanders und der Vernetzung etablieren. Dafür werden wir uns bei der diesjährigen Klausurtagung im Juni ausreichend Zeit nehmen. Und darauf freue ich mich heute schon. Denn diese Strukturen sind ebenfalls ein wichtiger Schritt für die Zukunft der Intensiv- und Notfallmedizin!


Foto: Universitätsklinikum Madgeburg