Empfehlungen zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen (Erwachsene)
Die Qualität der Patientenversorgung auf intensiv- und notfallmedizinischen Stationen hängt maßgeblich davon ab, wie diese strukturiert und personell sowie baulich ausgestattet sind. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hat bereits im Jahr 2010 Empfehlungen für eine adäquate Struktur und Ausstattung publiziert, die für die damaligen Rahmenbedingungen geschaffen waren. Mehr als zwölf Jahre später haben sich die Bedingungen im deutschen Gesundheitswesen und vor allem in der Intensiv- und Notfallmedizin deutlich verändert – dabei stehen Themen wie Pflegepersonaluntergrenzen und Vorhaltung von Intensivbetten im Vordergrund einer intensiv geführten Debatte.
Die vorliegenden Empfehlungen zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen der DIVI 2022 stellen, soweit vorhanden, die wissenschaftlich belegbaren medizinischen Erkenntnisse und die Erfahrungen, Standards sowie Empfehlungen vergleichbar entwickelter Länder in das Zentrum ihrer Ausführungen, um die Qualität intensivmedizinischer Versorgung im internationalen Vergleich auf Spitzenniveau zu sichern.
In diesem Sinne stehen in diesen Empfehlungen aktuelle regulatorische und ökonomische Vorgaben in Deutschland eher im Hintergrund, auch wenn diese in der Realität der intensivmedizinischen Versorgung auf den einzelnen Intensivstationen und Krankenhäusern eine große Rolle spielen. Dementsprechend hat die DIVI mit den vorliegenden Empfehlungen eben gerade nicht den Anspruch, den Status quo festzuschreiben, Anforderungen des G-BA zu wiederholen, sich an nicht-medizinischen Argumentationen und Vorgaben zu orientieren oder das im Rahmen des DRG-Abrechnungssystems Mögliche zu rechtfertigen, sondern vielmehr die nach aktuellem Wissensstand erforderlichen Strukturen richtungweisend zu definieren. Diese Empfehlungen sollen für den Gesetzgeber, die Krankenhaus- und Kostenträger, die Behörden ebenso wie für Patient:innen, deren Angehörige und das gesamte medizinische Personal den medizinisch als erforderlich angesehenen Rahmen definieren, der für eine intensivmedizinische Versorgung auf Spitzenniveau notwendig ist. Dies entbindet die Intensivmedizin jedoch in keiner Weise von der Verpflichtung, eine Überversorgung und einen unnötigen Ressourcenverbrauch unter Berücksichtigung medizinischer, ethischer und ökonomischer Aspekte zu vermeiden.
Ohne eine hochwertige Struktur und personelle Ausstattung ist jedoch eine qualitativ hochwertige Intensivmedizin nicht möglich. Andererseits ist eine Vorhaltung eines High End an intensivmedizinischen Möglichkeiten nicht auf allen Intensivstationen gleichermaßen sinnvoll und möglich. Wie in vielen anderen Versorgungsstrukturen sind gestufte Konzepte (so wie z. B. in der Notfallmedizin) und eine Zentrumsbildung für besonders aufwändige Therapien oder besonders schwere oder spezielle Krankheitszustände anzustreben, was auf die intensivmedizinischen Versorgungsstrukturen zu übertragen ist.
Die Wirkungsentfaltung der einzelnen Empfehlungen unterliegt einem ganz unterschiedlichen zeitlichen Rahmen. Eine Reihe von Empfehlungen sind bereits heute weitgehend umgesetzt oder sind mit vergleichsweise geringem organisatorischem oder ökonomischem Einsatz implementierbar. Die Realisation anderer Empfehlungen mag verstärkter lokaler Anstrengungen bedürfen, kann im Einzelfall aber noch im Rahmen der aktuell herrschenden ökonomischen und bedarfsplanerischen Umstände möglich sein. Andere Empfehlungen sind, obwohl wissenschaftlich erwiesenermaßen für die Erreichung eines hohen Qualitätsstandards erforderlich und in vielen anderen vergleichbaren Ländern flächendeckend im Alltag umgesetzt, im jetzigen Finanzierungsrahmen aber nicht gegenfinanzierbar. Zwar können einzelne Häuser lokal und regional auf solche Erfordernisse hinweisen, aber es ist eine konzertierte, kontinuierliche und langfristige Aktivität und Anstrengung der DIVI und anderer Fachgesellschaften erforderlich, um auf die Politik bundesweit und auf Länderebene sowie auf die Krankenhaus- und Kostenträger einzuwirken, um die Rahmenbedingungen und die Finanzierung an die fachlich medizinischen Erfordernisse anzupassen, die nicht zuletzt im internationalen Vergleich von Patienten und Gesellschaft erwartet werden dürfen.